Interview - Gespräch mit Christa Kleu
Seit wann hast du etwas mit Kunst zu tun?

Ich war immer ein sehr einzelgängerischer Mensch und ich hatte keinen Spaß an Dingen, die andere interessierten. Ich hatte immer meine eigenen Interessen und ging dann mit 14, 15 zu einer Bildhauerin, die damals so eine Art "Hummelfiguren" aus Ton formte. Die ließ mich auch arbeiten und ich habe damals bei ihr viele, viele Nachmittage verbracht und habe abstrahierte Tierfiguren geformt, die sie brennen ließ. Mönchengladbach hatte eine sehr ausgeprägte Kunstszene mit jungen Leuten, und es war hoch interessant und für mich sehr, sehr wichtig.

Während deines Medizin-Studiums warst du bei einem Künstler in Prag ...

Das stimmt, das war nach dem Physikum. Ich begleitete meinen Mann nach Prag. Da der Aufenthalt für mich sehr langweilig war, hat mich eine Bildhauerin an einen Künstler vermittelt. Das war Wojta Nolc, ein in meinen Augen nach wie vor genialer Mann, der mit seinen Möglichkeiten von HochTief-Druck, fantastische Collagen machte. Ich habe wochenlang mit ihm in seinem Atelier gearbeitet. Das war für mich als junger Mensch eine tolle Erfahrung.

Irgendwann bist du dann dazu gekommen, aus dem Papier Steine zu machen.

Ja, ich hab immer was gemacht. Ich habe Kinderbücher gemacht mit Linolschnitten, jahrelang Weihnachtskarten und irgendwann kam eine Freundin und legte mir einen Stein auf den Tisch und sagte: "Das ist genau das Richtige für dich". Das konnte ich mir erst nicht vorstellen.

Seit 15 Jahren bist du nun dabei, Steine zu hauen. Nun habe ich deine letzte Skulptur gesehen von der Familie, ich sage diese "heilige Familie".

Bis dahin war es ein weiter Weg. Erstmal habe ich nur Specksteinknollen gehabt. Mein jetziger Lehrer sagt mir, ich soll von diesem Stein nicht sprechen, weil er so einen Geruch habe von Handarbeitsunterricht. Aber die Dimensionen, die ich bearbeitet habe, haben diesen Geruch nicht mehr. Sicherlich ist das Arbeiten daran ganz anders, als das Arbeiten an einem härteren Stein. Ich habe ja auch zunächst autodidaktisch gearbeitet.

Die Steine waren alle Specksteine?

Ja, zunächst waren es Specksteine. Sie wurden immer größer und häufig unberechenbar. Der chinesische Speckstein ist genau so hart wie Marmor. Irgendwann habe ich mir gedacht, jetzt musst du schauen, dass du einen Lehrer findest. Ich habe einige Lehrer kennengelernt und blieb in Azzano mit seinen Marmorsteinen hängen. Es gibt dort einen alten Meister, der ein Handwerk ausübt, das wahrscheinlich auch in Italien irgendwann verschwindet, einen "scalpellatore". Er beherrscht auch noch die Methode des Punktierens oder vergrößert mit Hilfe einer mathematischen Methode ein kleines Modell auf ein Vielfaches.

Warum tust du dir diese Schweinearbeit an? Das kleine Modell ist im Vergleich zu dem großen Stein relativ schnell handwerklich herstellbar. Warum tust du dir das an, so ein Riesenteil daraus zu machen, das Kunstwerk ist doch da.

Das ist die Voraussetzung für diesen Riesenkerl und vor diesem Modell, das du schon gesehen hast, existieren fünf, sechs weitere Vormodelle, die einfach nicht funktionieren. Nicht jedes kleine Modell kannst du übertragen auf einen großen Stein. Das geht nicht. Die Dimensionen müssen stimmen und schon vorher ist die Entwicklung eines Modells eine Aufgabe für sich, die also mehrere Monate in Anspruch nimmt. Ich habe mich unter dem Schirm der Lehrer auch mehr getraut. Also bis dahin habe ich eigentlich nur den Stein, wie er kam, genommen und habe ihn gefragt, "was kann ich jetzt aus dir machen"? Der Stein war der Dirigent und ich war diejenige, die ihn "schön machte". Danach kam eben die Zeit, wo ich sagte, "jetzt nehme ich mir einen viereckigen Stein." Ich mache mir ein Modell und versuche den Ausdruck des Modells in diesem Stein wiederzufinden. Das heißt, ich habe die Formen des Steins verlassen und habe ihm eine andere Form gegeben.

Habe ich dich richtig verstanden, zuerst war der Stein der Chef und jetzt hast du gesagt: "Ich bin die Chefin."

Ja, aber auch nur begrenzt.

Warum?

Steine haben ein eigenes Leben, sie haben ihre eigene Struktur, haben Adern, Löcher. Der Stein spielt nicht immer mit. Es gibt bestimmte Töne, die ein Stein von sich gibt und du weißt, jetzt wird's gefährlich. Meistens findet man einen Riss, eine Kerbe, eine Aussparung, ein Loch und muss sein Konzept umstellen. Wenn ich immer alleine gearbeitet hätte, wäre es möglicherweise passiert, dass der Stein kaputt geht, und das wäre für mich eine schlimme Sache. Aber das kann nur passieren, wenn man nicht gelernt hat, zu hören und zu sehen, und das ist ein relativ langer Prozess und dazu braucht man auch Leute, die sagen: "Hallo, was machst du da, was höre ich da, dein Stein schreit, hörst du das nicht?"

Aber es ist dann auch klar, rational nachvollziehbar, was du aus dem Stein machen willst?


Nee, mit einem solchen Naturstein, der also vom Wasser so glatt poliert und gerundet worden ist, spricht die Form mit meinem Bauch und dann geht es los. Das ist ein Prozess, in dem immer mehr an Schönem, an Anschmiegsamem entsteht und in den Kontrasten zwischen dem, was schön ist und was dann eben dagegen steht, entsteht ein Bild. Der macht sich selbst der Stein, wenn ich ihn lasse. Wenn ich hingehe und mache z.B. diesen Liegenden, brauche ich einen viereckigen Klotz. Die Idee entstand, als ich in Mexiko war und den Chak Mool gesehen habe.

Was gibt dir das Steinhauen? Du sagst, du kannst nicht anders. Ist das wie eine Sucht?


Ich bin außerordentlich glücklich und zufrieden in einer bestimmten Phase mit den Steinen. Also es gibt so eine euphorische Phase bei Beginn der Arbeit und dann kommt eine Zeit, wo fürchterliche Zweifel kommen. Und dann kommt auf einmal so ein Punkt, wo es anfängt "zu laufen", wo sich ein Schritt nach dem anderen ergibt und es nicht schnell genug gehen kann. Ja, das Suchen nach den Glücksmomenten kann süchtig machen. Das sind Momente, die ich nicht missen möchte in meinem Leben.

Ich kann die Plastiken nicht in eine zeitliche Reihenfolge bringen, aber mein Eindruck ist, die werden immer größer.

Ja, das ist auch so im Moment, da hast du Recht.

Ja, dieses Schwarz-Rot-Gold von dem du mir erzählt hast ?

Das ist halt einfach noch in Planung.

Ja, klar, aber diese schwangeren Bäuche in verschiedenen Farben ?

Ist ja noch die Frage, ob ich die mache.

Es wäre schade, wenn du das nicht machen würdest.

Ja, aber vielleicht anders und kleiner. Aber ich weiß es nicht. Dieses immer größer, immer mehr. Aber wahrscheinlich ist das etwas, wie hat Peter Rosenzweig letztens gesagt: "Du musst da durch, da muss jeder durch."

Also du willst von der Größe eventuell wieder ab?

Aber vielleicht sind das ja Entwicklungen, die man so macht, wenn man sich auf diese Prozesse einlässt.

Themenwechsel: Sollen die Leute überhaupt etwas über dich und deine Steine und deine Gedanken wissen, bevor sie deine Steine betrachten oder sollen sie sich erst mal selbst mit den Steinen beschäftigen und dann, wenn sie das lange genug getan haben, dann können sie auch den Titel wissen oder den Namen, denen du ihnen gegeben hast?

Also wenn ein Stein gut ist, dann wird derjenige, der ihn beguckt und der Gefallen an ihm findet, ihn auch für sich benennen. Das ist mir aufgefallen bei Emile Paes, der hat seine Steine gefunden und für ihn bedeuteten die Steine etwas und er hat sie sich benannt.

Was du dir also unter deiner Skulptur vorstellst, das ist für den Betrachter vollkommen irrelevant?

Kann ja nicht, weil der Stein eine bestimmte Form hat, die man nicht übersehen kann. Aber was jemand absolut daraus macht, was er dann sieht, das finde ich auch hoch spannend.

Sind deine Steine ? wenn du sie mal in eine zeitliche Reihenfolge stellst ? spiegeln sie dein Leben, deine Vorstellung von Leben wider, das, was dich glücklich macht?

Ja, ganz bestimmt. Das ist ein Vorwärts-Getrieben-Werden durch das Material oder durch die wachsenden Fähigkeiten und technischen Fertigkeiten. Mein Zusammensein mit dem Stein ist ein eher friedfertiger, ein intimer Prozess. Dazu brauche ich keinen großen Stein. Ich brauche die feine Linie, ich brauche die Details. Die Gestaltung des Steins, zumindest trifft das auf einen großen Stein zu, ist ein Bruchteil von dem, was dann an sturer Arbeit anfällt und das will ich nicht mehr.

Also je größer der Stein, desto mehr Arbeit?

Und umso weniger Auseinandersetzung. Ich muss mir bei einem großen Stein sehr viel mehr Gedanken vorher machen ? wo sitzt was ? wo setze ich meine Kerben, damit ich sie auf der anderen Seite wieder finde. Das meiste ist harte körperliche Arbeit.

Das war für dich eine Herausforderung?

Ja.

So hast du jetzt festgestellt: kann ich, brauche ich nicht mehr.

So ist es.

Warum muss es denn diese Anstrengung sein? Kleine Steine sind ja nicht anstrengend. Du machst ein fantastisches Tonmodell,
das kostet schon genug Zeit, bis du damit zufrieden bist. Warum musst du dann noch so einen Stein behauen?


Komisch, weißt du, der Stein ist die Grenze zur Ewigkeit. Und drunter tu ich es halt nicht. Die Steine sind schon ganz alt und sie werden mich tausendfach überleben, egal in welcher Form, zerstückelt oder ganz, völlig Wurst, der Stein ist ein fantastisches Material. Und dabei so liebenswürdig, mich meine Kerben einschlagen zu lassen. Ich kann ihn auch nicht oft genug dafür loben. Egal was für einer und bisher hat sich auch noch keiner von den Kalksteinen, ich habe es ja noch nie mit Granit versucht, mir ernstlich widersetzt. Sie machen ja alle Zicken am Anfang, bis ich weiß, wie sie ?ticken? und ich habe noch nie, toi, toi, toi, einen Stein zerschlagen.

Wie wichtig sind dir Ausstellungen? Du bekommst ja Rückmeldungen und dabei kann Daumen rauf oder auch Daumen runter herauskommen?


Selbstverständlich, aber die einigen Male, wo ich das gemacht habe, hat mich das eigentlich sehr beflügelt. Es ist schön, die eigenen Steine in einer anderen Umgebung zu sehen. Am Gravierendsten war das in der Zinkhütte, wo die Steine vor diesen Ziegelmauern standen. Das war unglaublich, wie die sich veränderten, was die für ein anderes Leben auf einmal hatten. Also ich war fasziniert von meinen eigenen Steinen. Das sind Erlebnisse, die möchte ich eigentlich öfter haben.

Steine

haben ein

eigenes Leben,

sie haben

ihre eigene

Struktur,

haben Adern,

Löcher, …